Auch der längste Weg beginnt mit einem Schritt

Mai, 2020

Das Projekt „100 Tage nach Santiago“ beginnt.

Ich kenne viele Menschen, die davon träumen, ihn zu gehen – den CAMINO. Ich gehöre auch dazu. Und wie die Meisten habe ich dieses Abenteuer weit weg geschoben. Keine Zeit – kein Geld. In meinem Hinterkopf gab es zwar schon länger die Alternative, diesen Weg in Etappen zu gehen, aber so ganz wollte ich mich damit nicht anfreunden. So zerstückelt, erinnerte mich das eher an Spazieren gehen. Den Camino muss man an einem Stück laufen und dafür brauche ich Zeit und finanzielle Ressourcen, basta. So war meine Annahme.

Nach einem emotional herausfordernden Jahr 2019, hatte ich für den Mai 2020 ein kleines Appartement in Rom gebucht. Einen Monat wollte ich dort verbringen, in Ruhe die Stadt erkunden, Seminare konzipieren, Kraft tanken und mich den schönen Seiten des Lebens zuwenden. Meine Tochter wollte die erste Woche mitkommen und meine Freundin die letzte Woche mit mir genießen. Die Vorfreude war riesig… und dann kam die CORONA – Krise. Alles wurde geschlossen, die Grenzen dicht gemacht.

Wir hatten bis zuletzt gehofft, dass sich alles einpendeln würde, aber die Hoffnung wurde von Tag zu Tag kleiner. Was sollten wir machen? Meine Tochter hatte Urlaub und wurde dann auch wieder gebraucht, als Erzieherin im Kindergarten. Wie konnten wir die Woche urlaubsmäßig nutzen, wenn doch Vergnügungen in der Öffentlichkeit unmöglich waren? Ein Gespräch, dass ich Wochen zuvor mit einem lieben Kollegen geführt hatte, kam mir wieder in den Sinn. Er ist den Jakobsweg (Portugal – Santiago) schon gelaufen und schwärmte von den Erlebnissen. Natürlich war ich sofort wieder Feuer und Flamme. Aber dieses Jahr war ja schon Rom gebucht und überhaupt…

Seine Reaktion war deutlich: „Wenn Du schon daran denkst, dann musst Du ihn auch laufen. Und wenn das so ist, dann kannst Du es auch so schnell wie möglich machen. Alles andere ist nicht so wichtig.“

So kam es zu unserer Entscheidung. Wir starten den Jakobsweg – in Etappen.

Auch dieser Plan hatte seine Tücken. Übernachten konnten wir erstmal nirgends, die Hotels waren noch geschlossen. Aber es gab an fast jedem Tagesziel einen Bahnhof mit einer Verbindung zu unserer Heimatstadt. Das stellte uns vor eine ganz besondere Herausforderung. Wir mussten uns jeden Tag neu motivieren.

Damit das Camino – Feeling überhaupt eine Chance hatte, wollte ich dringend etwas Verbindendes finden. Eine Idee wurde geboren: 100 Tage nach Santiago

Egal wann, wie lange und von wo aus gestartet. Der Plan sind 100 Wandertage, die früher oder später nach Santiago di Compostela führen. Der letzte Teil in einem ganzen Stück.

Die Erlebnisse und Gedanken, sowie Tipps für die Durchführung sollen dir, lieber Leser*in eine Anregung sein, zu starten, wann immer es für Dich gegeben scheint. Vielleicht machst Du Dich ja auch spontan auf den Weg und erlebst ihn als genauso wertvoll, wie diejenigen, die ihn lange geplant und in einem durch gegangen sind.

 

Von Köln nach Blankenheim

Dauer: 4Tage
Ausüstung: leichter Tagesrucksack
Wetter: Sonne – Wolken – Mix
gelaufene Kilometer: 82km

Auf diesem ersten Teil des Weges begleitet mich meine Tochter. Sie wird im späteren Verlauf wieder dazukommen. Zwischendurch muss sie arbeiten. Wir haben vier Tage für diese Teilstrecke gebraucht. Meine Erinnerungen an die Wandertage mit Kindern waren, hm naja, nicht so prickelnd. Viel Quängelei und wenig Entspannung. Daher hält sich meine Wandererfahrung sehr in Grenzen. Aber der Wille ist da und Wanderschuhe hab ich auch. Außerdem können wir uns ja auf dem Camino-Light quasi einlaufen.

  • Sehenswürdigkeiten 70% 70%
  • Essen & Trinken 20% 20%
  • Schwierigkeit 40% 40%
  • Erkenntnisse 80% 80%

Es herrscht ja allgemein die Meinung, dass jemand, der sich auf dem Jakobsweg macht, noch ein weiteres Ziel hat, außer in Santiago de Compostela anzukommen. Wonach also suche ich?

Letztlich weiß ich es bis heute nicht genau. Was mich am Jakobsweg so fasziniert ist, dass er schon so alt ist und die Hoffnungen, die mit ihm verbunden sind. Auch wenn man ihn allein geht, ist man nicht allein. Da ist eine nicht erklärbare Verbundenheit mit so Vielen und das kann man spüren. Dafür muss man auch nicht besonders religiös oder spirituell sein.

Außerdem ist es eine große Herausforderung. Und das ist dann auch MEIN ZIEL: Es gibt ein sehr weit entferntes, fast unerreichbares Ziel in der Ferne. Nicht zu sehen. Und alles, was ich tun kann, ist, mich ihm Schritt für Schritt zu nähern. Dabei zu bleiben, nicht hinzuwerfen, durch Widerstände gehen, mich täglich zu motivieren und es am besten noch genießen.

Fotos

Hier kannst Du Dir ein paar Eindrücke von unserem Weg verschaffen.

Essen & Gasthöfe

1. Hürth

Unser Dank geht an die nette, ältere Dame von der Stempelstelle in Hürth-Fischenich für köstliche selbstgebackene Plätzchen.

2. Bad Münstereifel

Viele Möglichkeiten auch draußen zu sitzen.

3. Blankenheim

Unser Highlight, das Eiscafé auf dem Marktplatz.

 

Tag 1

Erkenntnis des Tages:

Vergleiche Dich nie mit Anderen!

Wir haben uns für 9.00 Uhr verabredet, um mit der Bahn nach Köln zu fahren und von dort aus wieder nach Brühl zu gehen. Unser Gepäck ist leicht: ein belegtes Brot, ein Apfel, eine Flasche Wasser, Blasenpflaster, Taschentücher, Feuchttücher, Reiseführer, Kamera, Geld und ganz wichtig – einen Mund-Nasen-Schutz. Mitten in der Pandemie werden wir ihn brauchen, sonst kommen wir in kein Geschäft und können auch keine Stempel abholen. Wir sitzen also maskiert in der Bahn, sehen die Landschaft an uns vorbeirauschen und schon taucht die erste Frage auf: „WARUM?“. Wir fahren den Weg sonst zum Einkaufen oder wenn wir in Köln ausgehen. Er ist mit sämtlichen Fahrzeugen so vertraut. Warum gehen wir dieses Stück? Das musste ich einmal vor vielen Jahren nachts. Ich wollte damals unserem Au-Pair Mädchen einen schönen und erlebnisreichen Abend in Köln schenken und wir hatten die letzte Bahn verpasst. Der Weg war so endlos, dass ich schließlich meinen Mann geweckt habe, um uns abzuholen. Es gibt da echt lange, zähe Teilstrecken. Wollen wir das wirklich?

Uns reicht als Antwort, dass es keine gibt, außer dass der Weg halt so startet. Außerdem ist es von Vorteil, dass wir Zuhause übernachten können, denn die Hotels und Gaststätten haben zu diesem Zeitpunkt noch geschlossen. Wir müssen also auf jeden Fall jeden Abend irgendwie nach Brühl zurück und am nächsten Morgen wieder zum Endpunkt des Vortages. Insofern ist die erste Etappe einfach praktisch.

Am Bahnhof angekommen fällt uns zunächst die Leere auf. Normalerweise ist die Halle voller Menschen und es ist Samstag, also absoluter Andrang. Heute ist hier nichts los und wir gehen direkt zum Dom.

Der Kölner Dom ist für waschechte Kölner ein Sehnsuchtsauslöser. Für Fremde ist er ein imposantes, großes und dunkles Bauwerk. Manche sind fasziniert, andere finden ihn gruselig. Er ist seit dem Mittelalter ein Pilgerziel für fromme Katholiken, schließlich liegen dort die Gebeine der Heiligen Drei Könige.

Bei den Domschweizern, das sind die rotgekleideten Türhüter und Aufseher im Kölner Dom, können wir uns unsere ersten Pilgerstempel abholen. Durch die Jakobsmuschel an unseren Rucksäcken sind wir als Pilger erkennbar, werden sehr freundlich ins Innere geleitet und erhalten sogar den begehrten Dreikönigs Stempel. Das ist der offizielle Beginn unserer 100 Tage Erlebnis- und Erkenntnistour. Keine 5 Minuten später beschäftigen uns bedeutungsschwere Fragen:

„Wo geht es lang?“, „Sitzt meine Muschel gut?“, „Wo geht es denn jetzt lang?“, „Warum passt mir der Bauchgurt von meinem Freund?“ (Die Corona-Ausgangsbeschränkung hatte offenbar Auswirkungen auf die Taille.), „Ist schon mal jemand den Jakobsweg auf einem E-Roller gefahren?“ und „Himmel noch mal, sind wir etwa schon am Anfang zu blöd, um den Weg zu finden?“ Wir finden den Weg und suchen nicht weiter nach Antworten.

Unser Weg führt uns weiter. Vergeblich halten wir Ausschau nach  Jakobsmuscheln. Vielleicht gehen wir ja auf der falschen Straßenseite.

Wir erreichen über die Luxemburger Straße die Stadtgrenze Köln und endlich können wir sie zum ersten Mal entdecken: die Jakobsmuschel, unseren Wegweiser. Mit dem Gefühl ein gutes Stück weit gekommen zu sein, ziehen wir in Hürth ein. Und damit fängt die Herausforderung für uns an. Scheinbar endlos quälen wir uns durch Hürth, suchen nach weiteren Stempelstellen. Das ist in Coronazeiten, wegen der Schließungen diverser Pfarrämter nicht einfach und Hürth ist für uns zu vertraut, um Schönheiten zu entdecken. So schleichen sich andere Gedanken ein. Der Freund meiner Tochter ist seit dem Vortag fürs Wochenende da. Er ist zwei Wochen auf einem Lehrgang gewesen. Aber wie gesagt, der Weg hat seine Längen. Ungeduld macht sich breit und wir motivieren uns gegenseitig zum Durchhalten.

In Hürth- Fischenich erwartet uns eine ältere Dame mit dem Pilgerstempel. Sie ist schon seit dem Morgen auf mögliche Pilger vorbereitet. Alles steht auf dem Tisch: Wasser, Gläser, Kekse, ein Gästebuch und natürlich der Stempel. Sie selbst ist den Jakobsweg nie gelaufen, kennt aber viele Geschichten und lebt von den Erzählungen.

Der Weg geht weiter und hat, wie gesagt seine Längen.

Endlich Brühl. Wir haben es geschafft.

Für alle Leser*innen, die jetzt denken:“ Mensch, die machen ja ein Theater. Wenn es so schlimm ist, sollten sie besser nicht weitergehen…“, auch wir waren zu diesem Zeitpunkt skeptisch. Wir sind vorher keine langen Strecken gewandert und unsere Gedanken waren bei den Dingen, die wir gleich noch machen müssen, im Haushalt und so. Wie die alte Dame in Fischenich gesagt hat. „Es braucht 2-3 Tage, um in die Ruhe des Wanderns zu kommen.“

Tatsächlich ist das wirklich so eine Sache. Ich bin noch nicht in Ruhe. Ich bin noch getrieben vom Schnell-Ankommen-Wollen und der Hektik und meinem Anspruch, es gut zu machen, was immer das auch heißt. Natürlich ist dieser Anspruch geprägt von den Berichten, die ich zuvor über den Jakobsweg gelesen habe. Welche Tagesstrecken dort zurückgelegt wurden, wie gut sich die Leute gefühlt haben und so weiter. Ich bin im Moment k.o., meine Füße tun weh, die Oberschenkel und Waden brennen, mir ist heiß. Müde und erschöpft holen wir uns den letzten Stempel des heutigen Tages ab. Wir erhalten ihn in der Margaretenklause, einer Gaststätte gegenüber der Kirche. Dort gibt es herrlich kaltes Kölsch aus eisgekühlten Tonkrügen, hmmm. Dieser Gedanke hat uns die letzten zwei Stunden am Laufen gehalten.

Stolz stehen wir vor dem Ausschank, zücken unsere Pilgerpässe und bitten um den begehrten Nachweis unserer Wanderung. Die Besitzerin lächelt uns freundlich motivierend an und fragt: „Und – geht es jetzt weiter nach Weilerswist?“ „Nein,“ erwidern wir, „wir kommen aus Köln.“ Sie zuckt nur mit den Schultern und lächelt auch nicht mehr. „Na ja“, sagt sie.

Aus und vorbei, futsch ist er, der ganze Stolz. Futsch, die erhebenden Momente, als wir von Passanten bewundernd angesprochen wurden, als uns ein „Buen Camino“ gewünscht wurde. Einfach futsch. Kölsch gab es übrigens auch nicht. Wegen Corona. 

Später am Abend dann die Erkenntnis. Ich schmökere noch ein wenig in den Reiseberichten. Einer davon wurde von einem Mann geschrieben, der sich mit 61 Jahren, untrainiert und wie er sagt, leicht übergewichtig auf den Weg gemacht hat. Also, dieser Bericht hatte mir vor einiger Zeit Mut gemacht. Nach dem Motto, wenn er das geschafft hat, dann kannst du das auch. Und was lese ich: 1. Tagesetappe von Köln nach Weilerswist (32km). Nein, nein und nochmals nein. Das geht nicht. Ich überfliege die Zeilen und lese, dass er gemütlich gegangen ist, zweimal Kaffee und Kuchen gegessen hat. Nicht ein Wort darüber, dass er müde und fertig war. Wie peinlich.

Eine gute Stunde später habe ich mich wieder eingekriegt und das stolze Gefühl, etwas geleistet zu haben, kehrt wieder zurück. Es ist doch egal, was die Frau in der Gaststätte gesagt hat und was andere vor mir geschafft haben. Merle und ich sind heute losgegangen und haben es durchgezogen. Obwohl wir viele Widerstände gespürt haben, obwohl wir noch ganz andere Dinge im Kopf hatten, obwohl es keine großen Pausen mit kleinen Belohnungen gab und wir in Geschäften nach einer Toilette fragen mussten. Nichts von alledem war und ist selbstverständlich. Wir haben es geschafft. Kein Vergleich. Und das Buch hab‘ ich erstmal weggelegt.

 

Tag 2

Erkenntnis des Tages:

Es ist ein langer Weg. Also finde dein Tempo und mach Dich nicht verrückt!

Der zweite Tag unserer Wanderung. Wir sind noch ziemlich erledigt von der gestrigen Anstrengung, aber wir haben der Versuchung widerstanden und sind wieder losgegangen. Heute wird es nur eine kurze Etappe sein. Merle möchte ihren Freund am Nachmittag sehen, bevor er wieder auf den Lehrgang fährt und auch ich habe etwas zu erledigen. Wir sind immer noch zu nah an unserem Alltag dran.

Wir holen uns in Brühl- Badorf unsere beiden ersten Stempel des Tages ab. Für den zweiten müssen wir einen kleinen Umweg machen. Die evangelische Jakobuskirche liegt nicht direkt auf dem Weg und wir kämpfen mit dem Gefühl, auf der Stelle zu treten. Wir kommen einfach nicht weiter. Wir biegen in die Ville ein und Merle zeigt mir die Plätze, wo sie sich an den Waldtagen mit den Kindern aufhält. Sie ist Erzieherin in einer Brühler Kindertagesstätte.

Es gibt einen kritischen Moment während unserer sonst entspannten Wanderung. Spaziergänger fragen uns bewundernd nach unserem Ziel und wo wir herkommen. Wir geben wahrheitsgemäß Auskunft und fühlen uns blöd. Da humpeln wir durch die Ville und sind keine 10km von unserer Heimatstadt entfernt. „Das nächste Mal sage ich, ich komme aus Hamburg, wenn Einer fragt.“, murmelt meine Tochter. Ich muss laut lachen. Mir ging es gestern ja ähnlich. Was ist das nur, dass wir so leicht entmutigt werden. Sind es unsere Ansprüche oder die „Ach so“-Reaktion von Anderen, die es uns so schwermachen, unsere Begeisterung oben zu halten.

Schließlich erreichen wir Weilerswist und sind erleichtert, dass wir diese Stück weitergegangen sind. Egal, was andere denken. Sie laufen nicht in unseren Schuhen.

Tag 3

Erkenntnis des Tages:

Mach es Dir nicht unnötig schwer!

Es hat sich deutlich abgekühlt. Gestern war es regnerisch und stürmisch und wir haben uns entschlossen, zu pausieren. Ich musste mir auch andere Schuhe kaufen. Offenbar waren die Wanderschuhe doch noch eine halbe Nummer zu klein und mein rechter Fuß zeigt eine fette Blase und einen schmerzenden blauen Zehnagel. Ab jetzt gehe ich erstmal mit Trekkingsandalen weiter.

Wir stellen unser Auto am Bahnhof Weilerswist ab und machen uns auf den Weg. Recht schnell gelangen wir nach Groß-Vernich und genießen für den Rest des Weges die Wanderung entlang der Erft. Der Fuß- und Radweg führt uns an mehreren kleinen Ortschaften vorbei. Fast überall wohnen Freunde und Kollegen, es gibt viele lustige Anekdoten zu erzählen. Wir sind heute guter Dinge. Die Gaststätten öffnen heute wieder und wir freuen uns auf ein leckeres Essen.

In Euskirchen finden wir ein italienisches Restaurant und bestellen überbackene Nudeln. Was für ein Luxus. Nach gut zwei Monaten kann man wieder essen gehen. So gestärkt wollen wir die zweite Hälfte der heutigen Tagesetappe angehen und … was soll ich sagen, rückblickend und zu unserer Entschuldigung:  der Schmerz im Zeh und der Käse im Magen führten uns zum Bahnhof. Es gab einen Zug nach Bad Münstereifel.

Bad Münstereifel ist ein wunderschönes kleines Städtchen mit viel Trubel und vielen Cafés. So richtig genießen können wir es nicht. Uns plagt das schlechte Gewissen. Haben wir geschummelt? Was ist mit der Pilgerehre? Wir beruhigen uns damit, dass die ursprünglichen Pilger auch mit einer Kutsche gefahren wären, wenn sie jemand mitgenommen hätte. Und sie auch noch gelahmt hätten. Schließlich wollen wir ja morgen noch weiterkommen. Ein kurzer Spaziergang durch die Stadt und dann geht es auch schon wieder zum Zug, Richtung Weilerswist und nach Hause. Mein Zeh pocht heftig, das Schmerzmittel hat nachgelassen.

Tag 4

Erkenntnis des Tages:

Ein bisschen Chichi schadet nie!

Heute soll es bis nach Blankenheim gehen, ohne Bus und Bahn. Eines sei vorneweg gesagt: Wir haben das geschafft und sind mächtig stolz in Blankenheim eingelaufen. Der Weg beginnt mit einem steilen Aufstieg in Bad Münstereifel und wir kommen mächtig ins Schnaufen. „Das ist die Strafe für gestern.“, sagt meine Tochter. Meine Antwort kommt wie aus der Pistole geschossen: „Wahrscheinlich.“ Aber stimmt das? Was soll das? Der Weg wäre genauso steil, wenn wir gestern die ganze Strecke zu Fuß zurückgelegt hätten. Es beginnt eine Diskussion über Schuld und Sühne – ein passendes Thema für einen Pilgerweg. (In dem Buch über unsere Reise wird mehr darüber zu lesen sein.)

Wir haben uns heute keine Vorräte mitgenommen. Schließlich haben die Cafés ja wieder auf. Leider sind die Orte, durch die wir wandern zu klein. Also genießen wir die Landschaft. Außerdem werden wir Zeugen, wie eine frisch restaurierte jahrhundertealte Statue ihren Weg zurück in die Kapelle findet. Dass der Priester, der die Prozession auf Krücken gestützt anführt, deutlich schneller ist als wir, stört uns heute nicht mehr. Darüber schmunzeln wir nur und freuen uns auf ein großes Eis in Blankenheim.

Ach ja, die Erkenntnis. Auf einem Waldweg entdecke ich Hufspuren. „Guck mal, hier waren Pferde.“ Wir laufen übrigens schon seit Stunden, ohne jemandem begegnet zu sein. „Ach Mama, das geht so nicht. Du musst mehr aus den Dingen machen. Du siehst dein Können immer als so selbstverständlich an.“ Hier zum Vergleich ihre Version: Die blonde Amazone beugt sich hinunter. Sie legt ihr Ohr auf den Boden, schließt die Augen. „Pferde“, wispert sie.  „Zwei“. Sie hebt den Kopf, atmet tief ein, die Augen immer noch geschlossen. „Ich spüre eine helle Energie. Weiße Pferde, wild, stolz, dunkle Blesse, weise Augen und…“, die Amazone lässt ihre Nasenflügel weit werden, öffnet strahlend ihre Augen. „Sie sind in diese Richtung geritten.“

So lustig und übertrieben das in dieser Situation scheint, sie hat Recht. Wie oft habe ich schon beobachtet, dass andere dasselbe sagen wie ich, aber mehr Beachtung bekommen. Meistens bin ich dann verwundert bis verärgert und frage mich, warum die Leute gerne auf so ein Tamtam hereinfallen. Bei dieser Geschichte ist der Groschen gefallen. Es geht nicht um irreführendes Tamtam. Es geht um die Inspiration einer guten Geschichte, um Bilder, um Emotionen, um etwas Besonderes. Und es geht darum, ein Teil davon zu sein. Also mehr Chichi bitte, um einfachen Dingen den Geist von buntem Leben einzuhauchen.

Mit diesen Impulsen gehen wir jetzt erstmal wieder zurück in unseren Alltag. Ich hoffe, Du hattest Spaß beim Lesen. Vielen Dank für Deine Begleitung durch unsere Erkenntnisse und bis bald.

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Wut + Ohnmacht = GallensteineIch hab da mal ein paar Fragen. Erstens, bist du eine Frau? Bist du, zweitens, schon über 40? Drittens, bist du zufällig blond? Viertens, Hand aufs Herz, ein bißchen übergewichtig? Hat fünftens, deine Mutter Gallensteine? Und schließlich...